Alm-Alltag mit Charakterkühen

Mein Besuch aud der Dientalm

„Die Mama ist im Frühjahr immer die Erste auf der Alm, die kann es jedes Jahr kaum erwarten“, schmunzelt Rudi. „Sie wird nächstes Jahr 70 und ist immer noch mit großer Freude dabei“. „Die Mama“ ist Gretl Nussbaumer und ihrem Sohn Rudi zufolge das Herz der schönen Dientalm am Dientner Sattel, direkt unterhalb der Taghaube. Wir durften einen Tag und eine Nacht dort oben verbringen, Rudi und Gretl über die Schulter schauen und den Alm-Alltag im schönen Hochkönig-Gebiet erleben.

Rudi und seine Frau Tine, die zur Zeit unseres Besuches ihr drittes gemeinsames Kind erwartet, sind seit rund 10 Jahren regelmäßig auf der Alm. Gretl verbringt bereits seit rund 20 Jahren jeden Sommer auf der Dientalm und stellt mit Sachverstand und Leidenschaft Käse her. „Die Mama ist einfach das Herz der Alm. Ohne sie würde das alles nicht so gehen“, sagt Rudi. „Wir sind schon sehr, sehr froh, dass wir sie haben.“

Seit 1928 ist die Dientalm in Familienbesitz. In den 1970er und 1980er Jahren war die Dientalm eine von nur zwei bewirtschafteten Almen in diesem Gebiet. Heute ist sie von Mitte Mai bis Ende September bewirtschaftet und ab Oktober als Selbstversorger-Hütte gut gebucht. Die Gastwirtschaft hat hier eine lange Tradition, auch gekäst wurde auf der Dientalm schon immer. Das ist bis heute die Aufgabe von Mama Gretl. Einmal Sennerin, immer Sennerin, pflegt die Gretl zu sagen, erzählt uns Rudi. Deshalb freut sie sich auch immer besonders auf das Schaukäsen, das alle zwei Wochen auf der Dientalm stattfindet. Der schöne Kupferkessel, der zum Käse machen verwendet wird, wird auf der Dientalm tatsächlich noch mit Feuer geheizt. „Die Gretl weiß genau, wieviel Grad man einstellen muss, damit das passt“, erzählt uns Heike.
Gemeinsam stark: alle packen an. Heike kommt aus Bayern und ist eine der „fleißigen Helferlein“ auf der Dientalm. Weil, um die Tiere und Gäste bestens versorgen zu können, wird Familie Nussbaumer jedes Jahr von Praktikanten und Saisonaushilfen im Betrieb unterstützt. Dieses Jahr sind neben Heike, die Gretl beim Käsen hilft und sich bestens um das Wohl der Gäste kümmert, auch die achtzehnjährige Alina aus Kärnten und Patrick aus Mühlbach als Praktikanten auf der Dientalm, auch Janice aus Holland packt überall an, wo sie gebraucht wird. Gretl und die Praktikanten schlafen den Sommer über auf der Alm, Rudi und Tine leben mit ihren beiden Kindern am Hof in Mühlbach und fahren jeden Tag hinauf auf den Berg. Für die Gäste stehen auf der Dientalm drei großzügige, gemütlich eingerichtete Zimmer zur Verfügung – alle mit liebevollen Details und Ausblick in die wunderschöne Natur ausgestattet. Und wunderschön ist es hier wirklich, auf der Dientalm direkt unterhalb der Taghaube am Dientner Sattel. Rudi ist es wichtig, dass das auch so bleibt.

Der Trend zum Almleben
„Beruf kommt für mich von Berufung, ich mache meine Arbeit sehr, sehr gern“, erzählt uns Rudi. Und das glauben wir ihm aufs Wort. Mit strahlenden Augen erzählt er uns von seinem Alltag am Hof und auf der Alm, der keineswegs ein leichter ist. „Wir sind Bauern mit Herz und Seele – und das bleiben wir auch“, betont Rudi. Neben der Landwirtschaft arbeitet er bei der Holzfällung mit, betreibt zusätzlich ein kleines Baggerunternehmen, hat einen Zuchtbetrieb. Und die Alm, natürlich. Dazu eine vierköpfige Familie. Und doch möchte er kein anderes Leben haben, mit niemandem tauschen. Niemals. „Der Tourismus und die Landwirtschaft, das ist schon ein tolles Paket“, meint Rudi. Und der Tourismus, das Interesse für das einfachere Leben hier oben auf der Alm, das nimmt sowieso stetig zu, sagt er. Der Trend zum Almleben sei klar erkennbar. „Uns ist aber wichtig, dass wir eine Alm bleiben und kein Gasthaus werden. Deshalb gibt es bei uns zum Beispiel einen Schweinsbraten nur zu Festtagen, wie das halt ist auf der Alm. An den restlichen Tagen servieren wir unseren Gästen eine gute Almjause mit Produkten aus der eigenen Landwirtschaft. Hier auf der Alm machen wir unseren eigenen Käse, Schotten und Almbutter.“

Echt Bio – ohne Wenn und Aber
Rund drei Mal pro Woche wird auf der Dientalm Käse und Butter von der Milch der 20 Kühe hergestellt. Je nachdem, ob die Kühe gerade auf eine frische Weide mit vielen saftigen Kräutern kommen oder schon länger auf derselben Wiese stehen, gibt es mal mehr, mal weniger Milch. Echt Bio, eben. Ohne Kompromisse. Auch dürfen die Kälbchen der Dientalm so viel Milch trinken, wie sie wollen. „Das sind schon mal bis zu 16 Liter pro Tag“, erzählt Rudi lachend. Bei unserem Besuch verarbeitet Heike die Bio-Milch der Dientalm-Kühe gerade zu g´schmackigen Almkäse, der hauptsächlich aus Magermilch besteht. Im Schnitt erhält Heike dann aus 100 Litern Milch rund sechs bis sieben Liter Käse. Nachdem der Bruch geschnitten wurde, schöpft Heike die Molke per Hand ab. Dieses Nebenprodukt verarbeitet Heike dann zu Schotten, einem fettarmen Aufstrich, der sowohl zu Marmelade als auch zu Wurst und Käse ausgezeichnet schmeckt – wir haben´s beim reichhaltigen Dientalm-Frühstück ausprobiert.

Kühe mit Charakter
Im Gespräch mit Rudi merken wir schnell: Das Wohl seiner Tiere liegt ihm sehr am Herzen. So verwundert es uns nicht als wir erfahren, dass er sich schon vor Jahren viele Gedanken machte, wie er seinen Kühen das Leben zusätzlich erleichtern könnte. „Ich wollte, dass es unsere Kühe im Winter genauso schön haben wie im Sommer auf der Alm“, erklärt uns Rudi. Und so fuhr er quer durch Europa, schaute sich verschiedene Ställe an und kam mit vielen neuen Ideen zurück nach Mühlbach. „Schlußendlich haben wir dann einen neuen Stall gebaut, in den unsere Kühe nur zum Schlafen hineinkommen“, erklärt uns Rudi. „Der ist ganz dick mit Sägespäne ausgelegt, knapp einen halben Meter hoch. Das wird dann zu Kompost.“ Ein durchdachtes und ausgeklügeltes System, das Rudi nicht zur zufriedene und dadurch fitte Kühe beschert, sondern auch die Auszeichnung zum modernsten Stall Salzburgs, die er 2014 in Empfang nehmen durfte. „Wir wollen brave und entspannte Kühe, der Charakter der Kuh ist uns sehr wichtig“, sagt Rudi. „Unsere Damen stört es auch nicht, wenn die Kinder beim Tag der offenen Stalltüre um sie herumwuseln.“ „Tag der offenen Stalltür“ ist auf der Dientalm übrigens jeden Tag. Die Kinder dürfen dann beim Melken zuschauen und Rudi nimmt sich die Zeit, um ihnen verschiedenste Dinge rund um die Kühe, das Melken und die Milch zu erklären. „Das ist so wichtig, dass Kinder das miterleben können und eine Ahnung haben, wo die Milch herkommt, die sie da zum Frühstück trinken“, so Rudi.

Sehnsuchtsort Heimat
Seine Kinder kennen das alles natürlich von klein auf, die wachsen mit den Tieren auf dem Hof auf. „Wir haben am Hof 60 Rinder und unsere Kinder kennen jedes einzelne Tier beim Namen. Das ist schon sehr schön“, sagt Rudi. Überhaupt sei es ein Riesenglück und ein großer Vorteil vom Arbeitsplatz Bauernhof, dass man seine Kinder aufwachsen sehen darf. „Das ist schon ein Privileg“, so Rudi. Ein Privileg ist es für ihn auch, hier im Hochkönig-Gebiet leben zu dürfen, das wird ihm immer wieder bewusst, sagt Rudi. „Und wenn im Herbst dann der Hochkönig tiefrot leuchtet, dann schau ich hinauf und denk mir: ich möchte nirgendwo anders leben.“