Geister auf Puregg

Es ist schon länger her, da wollte der Hirscheggbauer eine Wallfahrt unternehmen. Obwohl es tiefster Winter war, schickte er sich an von Dienten nach Maria Alm zu gehen. In der vorigen Nacht hatte es geschneit, so stapfte der Hirschegger durch pulvrigen Schnee bergauf in Richtung des Waldsattels, der in das Urslautal hinabführte. Nicht weit vor sich konnte er die Umrisse des Puregglehens ausmachen. Der Weg führte direkt an diesem alten Gehöft vorbei, das jahrhundertelang der höchstgelegene Bauernhof des Landes Salzburg war. Jetzt aber stand es schon lange Zeit leer und diente nur noch als Sommerstall. Als der Hirscheggbauer näherkam, bemerkte er, dass es rings um ihn herum außergewöhnlich still war. Nichts regte sich. Kein Lüftchen wehte. Und auch die Tiere des Waldes schienen den Atem anzuhalten.

Da zerriss plötzlich ein lautes Schleifen und Rauschen die unheimliche Stille. Der Bauer fuhr herum – hinter ihm ertönte das Tappen schwerer Tatzen im Schnee. Erschrocken konnte er gerade noch zur Seite springen und duckte sich hinter einer Schneewehe. Mit einem Auge linste der Hirscheggbauer zitternd hinter dem Wall hervor, als auch schon mit irrsinniger Geschwindigkeit ein schwerer, alter Holzschlitten an ihm vorbeisauste – so hoch und schwer beladen, dass dem Bauern das Grausen überkam. Da ertönte von tief unten im Graben ein greller, langgezogener Jauchzer, der dem Bauern eine Gänsehaut über den Rücken jagte – so gar nicht menschlich klang dieser Ruf. Und dann war alles vorbei und verschwunden. Vorsichtig trat der Hirscheggbauer aus seiner Deckung hervor und setzte seinen Weg fort. Als er jedoch am Puregglehen vorüberkam, sah er im Stall ein großes, hell leuchtendes Feuer brennen. Rotorange Feuerzungen leckten über das alte Holz des Stalles und es knackte und knirschte. Doch seine Furcht war zu groß, um nachzusehen was sich dort abspielte. Also lief er weiter, so schnell ihn seine Beine trugen.
Stunden später als der Hirschegger von Maria Alm her wieder des Weges kam, fasste er sich ein Herz und öffnete die Stalltür. Vorsichtig spähte er hinein – und traute seinen Augen kaum. Nirgendwo war die Spur von einem niedergebrannten Feuer zu erkennen, kein Fetzchen Asche ließ darauf schließen, dass hier erst vor kurzem ein riesiges Feuer gewütet hatte. Kopfschüttelnd schloss der Bauer die Stalltür und machte sich langsamen Schrittes auf den Heimweg. Dabei kam er nicht umhin zu bemerken, dass ringsum auf der Wiese keine Schlittenspuren zu sehen waren. Obwohl es die ganze Zeit nicht geschneit hatte.