Vom Salzachtal bei Lend zieht sich eine wilde Schlucht gegen Norden. Hochwasser, Murenabgänge und Lawinenstürze bedrohen das schmale Bergsträsschen, das durch die Schlucht führt, schon seit vielen, vielen Jahren. Etliche Kilometer taleinwärts geht die Klamm dann allmählich in ein Tal über. Dunkelgrüne Wälder ziehen sich die steilen Hänge empor, liebliche Almen wechseln mit schroffen Felsen. Und über alldem erhebt sich mit Türmen, Graten und himmelhohen Wänden der mystische Hochkönig. Dicht an seine Südabstürze geschmiegt, als wolle sie unter seinem mächtigen steinernen Haupt Schutz suchen, liegt die Bergbauerngemeinde Dienten.
Und genau dort, in diesem weltentlegenen Dörflein, trieben einst der Fuchs Christa und seine Raubgesellen ihr Unwesen. Im frühen 18. Jahrhundert war es, als im Fuchshof in der Deant'n zwei Brüder aufwuchsen. Der Ältere wurde Christian genannt, der Jüngere hieß Kaspar. Schon in jungen Jahren vollführten sie so arge Streiche, dass sie talauf, talab nur „die wilden Fuchsbuben" genannt wurden. Zur Schule gingen die jungen Füchse nicht, stattdessen trieb es sie hinaus in die Berge. Kein Stück Wild war vor ihnen sicher. Barfuss kletterten sie in den Wänden des Hochkönigs den Gämsen hinterher, kein Abenteuer war ihnen waghalsig genug. Als es ihnen schließlich einmal gelang, einem schlafenden Jäger den Vorderladerstutzen zu stehlen, kannte ihre Verwegenheit keine Grenzen mehr.
Fortan kehrten sie nicht mehr in ihr Heimathaus zurück, sondern lebten als Wilderer von Raub und Diebstahl. Dieses wüste Leben jenseits der Gesetze gefiel auch anderen Männern, und bald waren es zwölf Raubgesellen – eine eingeschworene Gesellschaft unter der Führung von Christian vom Fuchshof, der nur noch der „Fuchs Christa“ genannt wurde. Nicht lange dauerte es, und der ganze Unterpinzgau zitterte vor den verwegenen Räubern. Unzähliges Wild erbeuteten die Gesellen, und im Blühnbachtal sollen sie sogar pflichtgetreue Jäger ermordet haben. Obwohl auf die Ergreifung des Fuchs Christa eine hohe Belohnung ausgesetzt war, wagte es niemand, den Preis zu verdienen. Das ging sogar soweit, dass der Anführer der Räuber eines Tages bei helllichtem Sonnenschein nahe dem Dorf, beim so genannten „Schwefelhäusl", gemütlich am Straßenrand saß und sein Gewehr putzte. Einem Kind trug er auf, ins Dorf zu laufen und dort zu verkünden, wen es gesehen hätte. Doch als der Knabe laut schreiend nach Deant'n gelaufen kam, da fand sich kein Mensch, der sich zum Schwefelhäusl hinausgetraut hätte.
Einmal trug der Fuchs Christa einem ahnungslosen Händler die Kraxe von Lend nach Deant'n, weil sich dieser nicht allein ins Tal traute. Er fürchte sich vor dem „Fuchs Christus", sagte der ahnungslose Händler. In einem Gasthaus nahe dem Dorf kehrten sie schließlich des Nachts ein, und als Christa von dem Händler Abschied nahm, offenbarte er sich ihm. Der Händler fiel vor Schreck fast vom Stuhl, doch Christa sagte lachend: „Brauchst dich nit zu fürchten, ich nehm dir nichts. Nur sag den Leuten, dass der Fuchs Christa auch gut sein kann!" So trieb es die Bande viele Jahre, bis sie schließlich ein grausiges Geschick ereilte. An einem trüben Spätherbsttag waren die zwölf Gesellen ohne ihren Hauptmann nach Blühnbach unterwegs, um dort Gämse zu wildern. Dort, wo der Weg von der Torscharte ins Blühnbachtal abwärtsführt, kam auf ihrem Abstieg plötzlich eine Lawine ins Rollen. Mit lautem Gepolter schoss sie den Berg hinab und riss alle zwölf Männer mit sich in die Tiefe. Einer von ihnen überlebte das Unglück und konnte sich aus den Schneemassen befreien. Obwohl er sich das Bein zweimal gebrochen hatte, kroch er wieder zur Scharte empor. Doch dort angekommen, verließ ihn die Kraft – und wenig später das Leben. So fand man ihn unter einem Felsvorsprung sitzend, ein Stück Brot in der Hand. Der Räuberhauptmann Christa hatte an nur einem Tag all seine Freunde verloren.
Auf diesen Schicksalsschlag hin gab er sein wildes Treiben auf und zog zum Hirscheggbauer als „Einleger". Vom Hirscheggut aus besuchte er fast jeden Tag den Gottesdienst, obwohl er früher jahrzehntelang keine Kirche betreten hatte. Der Schreck hatte ihn für immer gezeichnet und sein Haar war schneeweiß geworden. Doch seine Riesenkraft, die hatte ihn nicht verlassen. Einmal, als Christa vom Gottesdienst heimging, begegnete ihm im Kesselgraben ein Saalfeldner Hagmoarranggler, der weitum als großer Prahlhans bekannt war. Der verhöhnte den alten Fuchs Christa, doch noch bevor er den letzten Satz zu Ende gesprochen hatte, lag er auch schon der Länge nach im Kesselbach.
70 Jahre soll der Fuchs Christa alt gewesen sein, als er schließlich einsam und verlassen in der Tennkammer des Hirschegguts verstarb. Aber bis heute erzählt man sich im Tal von ihm und seinen zwölf Gesellen. Sogar ein Lied über ihn ist entstanden, von dem nur mehr eine
Strophe erhalten ist:
„Iatz ist da Fuchs Christa g'storbn und seine Knecht –
iatz kunnt i Fuchs Christa wer'n, dos wa ma recht!“